Verfassungsbruch als Friedensstrategie?
Warum Gebietsabtretungen der Ukraine weder rechtlich noch demokratisch möglich sind
Von Ike Aaren Hadler – JCMI | Truth by Facts
In der aktuellen Debatte um ein mögliches „Friedensabkommen“ zwischen Russland und der Ukraine fordern einige Stimmen – darunter auch renommierte Politologen – eine „realistische Lösung“, bei der die Ukraine Territorium an Russland abtreten müsse. Doch diese Forderung verkennt nicht nur die politische und militärische Realität, sondern ignoriert auch vollständig die geltende ukrainische Verfassung.
🔹 Was sagt das ukrainische Grundgesetz?
Die Verfassung der Ukraine regelt eindeutig in Artikel 73:
„Fragen der Veränderung des Territoriums der Ukraine werden ausschließlich durch ein all-ukrainisches Referendum entschieden.“
Das bedeutet: Kein Präsident, kein Parlament und keine Regierung darf Gebietsverluste vertraglich anerkennen oder in einem Friedensabkommen akzeptieren – es sei denn, das ukrainische Volk selbst stimmt in einem nationalen Referendum zu.
🔹 Und wie würde ein solches Referendum ablaufen?
Die Verfassung (Artikel 72) erlaubt ein Referendum:
- auf Initiative des Präsidenten oder Parlaments,
- oder durch Volksinitiative mit 3 Millionen Unterschriften, verteilt auf mindestens zwei Drittel der Regionen.
Doch hier beginnt das Problem: Die konkreten gesetzlichen Regelungen zur Durchführung – Fristen, Verfahren, Mindestbeteiligung – sind derzeit unklar. Das bisherige Referendumsgesetz wurde 2018 vom Verfassungsgericht aufgehoben. Und das neue Gesetz von 2021 ist umstritten, lückenhaft und auf Gebietsfragen nicht zugeschnitten.
🔹 Warum ist ein Referendum aktuell unmöglich?
Die Ukraine befindet sich im Krieg, teilweise unter Besatzung, Millionen Menschen sind vertrieben.
In einer solchen Lage ist ein freies, demokratisches Referendum schlicht nicht durchführbar – weder praktisch noch rechtlich.
Zudem erlaubt Artikel 64 der Verfassung, dass in Kriegszeiten Grundrechte – wie Versammlungs- und Wahlrechte – eingeschränkt werden dürfen. Damit fällt die Durchführung eines legitimen Referendums aus.
🛑 Fazit:
Jede Forderung nach territorialen Zugeständnissen der Ukraine ist derzeit verfassungswidrig.
Und jeder, der sie erhebt, ignoriert entweder bewusst die rechtlichen Grundlagen eines souveränen Staates – oder unterstützt ungewollt die Logik des Angreifers.
Ein Frieden auf dieser Basis wäre kein Kompromiss, sondern eine staatlich sanktionierte Kapitulation – mit verheerender Signalwirkung für das Völkerrecht weltweit.
Verfassungen sind kein Wunschkonzert.
Wer sie für kurzfristige geopolitische Interessen ignoriert, öffnet autoritären Regimen Tür und Tor.
Gerade ein Politologe sollte das wissen.
✉️ Fragen, Quellen, Nachweise oder Genehmigung zur Nachnutzung dieses Textes gern an contact@jcmi.eu
🔗 Weitere Inhalte auf jcmi.eu | hadler.digital