In Kiew versprochen – in Brüssel vertagt: Europas Sanktionen ohne Uhr
Von Ike Aaren Hadler – für JCMI Europe
Am 9. Mai 2025 standen sie nebeneinander in Kiew.
Friedrich Merz, Emmanuel Macron, Donald Tusk, Keir Starmer.
Ein starkes Bild. Europa vereint, entschlossen, mit ernster Miene.
Die Botschaft war klar: Wenn Putin nicht bis zum 12. Mai die Waffen schweigen lässt, folgen neue Sanktionen.
Nur: Er ließ sie nicht schweigen.
Und die EU ließ ihn gewähren.
Das Ultimatum, das keines war
Seit heute ist klar: Es gab kein Ultimatum.
Zumindest keines, das irgendjemand im Ernst umzusetzen bereit war.
Denn obwohl die vier Staats- und Regierungschefs der größten EU-Mächte in Kiew öffentlich Druck aufbauten, wusste man in Brüssel offenbar nichts von einer konkreten Deadline.
Während Putin weiter Raketen auf Charkiw und Dnipro schickt, erklärt man uns in Brüssel, das nächste Sanktionspaket sei ja schon seit Monaten in Arbeit.
Es müsse aber „noch rechtlich geprüft“, „abgestimmt“ und „wirtschaftlich flankiert“ werden.
Heißt übersetzt:
Wir können nicht, weil wir nicht wollen – oder nicht dürfen. Oder beides.
Die große Blamage
Die EU hat sich selbst in eine Falle manövriert.
Sie verspricht Stärke – und liefert Verwaltungsroutine.
Sie kündigt Konsequenzen an – und scheitert an ihrer eigenen Prozessarchitektur.
Putin dürfte in Moskau sitzen und lachen.
Er weiß jetzt:
Die EU braucht Monate, um eine Maßnahme zu beschließen, 27 Veto-Spieler, um irgendetwas durchzusetzen, und die USA, um Rückgrat zu zeigen.
Und Trump? Der redet schon jetzt von „Selenskyj sollte mal mit Putin reden – ich komme vielleicht auch“.
Das ist kein diplomatisches Schach mehr. Das ist ein geopolitisches Kasperltheater – und die EU steht auf der Bühne mit herabhängenden Armen.
Die Folgen der Glaubwürdigkeitslücke
Was bleibt, ist ein gefährlicher Dammbruch im Vertrauen:
Die Ukraine fragt sich, ob Europa wirklich an ihrer Seite steht, oder nur auf schöne Pressefotos aus ist. Russlands Propaganda nutzt jede Verzögerung als Beweis für „westliche Schwäche“. Und innerhalb der EU wachsen Zorn und Frust – besonders im Osten.
Die baltischen Staaten, Polen, Finnland – sie verstehen das Zögern nicht.
Denn sie wissen: Wenn die EU jetzt versagt, steht morgen der Kreml an ihrer Grenze.
Was hätte geschehen müssen?
Die EU hätte vorbereiten können:
ein Sanktionspaket mit Stufenplan (Tag 0, Tag 3, Tag 7), automatische Mechanismen gegen Umgehungsnetzwerke, und ein mediales Signal: Wer Fristen setzt, handelt.
Stattdessen?
Wird gewartet. Diskutiert. Abgewogen.
Und Putin tanzt weiter.
Fazit: Europa hat gesprochen – aber nicht gehandelt.
Was in Kiew als Signal gedacht war, wurde in Brüssel zum Störgeräusch.
Und das ist gefährlicher, als nichts zu sagen.
Denn es nährt nur eines:
Die Gewissheit des Gegners, dass der Westen zögert – selbst im Ernstfall.
„Wer Drohungen ausspricht, muss bereit sein, sie durchzusetzen. Alles andere ist Selbstdemontage.“